Rede zum AfD-Antrag „Stalking als neuen Straftatbestand ernst nehmen – Opferschutz durch Implementierung adäquater Hilfsangebote“

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

im Bundestag laufen gerade die Beratungen über ein neues Soziales Entschädigungsrecht.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass erstmals auch Stalking-Opfer Anrecht auf Entschädigung haben. Wenn man den hier vorliegenden Antrag der AfD liest, könnte man meinen, dass die AfD ein solches Gesetz begrüßen würde. Tatsächlich aber hat der AfD-Abgeordnete Sichert das geplante Gesetz „Blutgeldgesetz“ genannt und damit für einen Eklat gesorgt.

Auch sonst erstaunt Ihr Antrag. Sie haben ja erst vor drei Wochen auf Ihre Anfrage hin erfahren, dass es das, was Sie heute hier für Stalking-Opfer fordern, schon gibt. Folgerichtig fordern Sie ja eigentlich auch nur mehr davon, wenn sie von „ausweiten“ und „erweitern“ sprechen.
Ich denke aber, tatsächlich brauchen wir weniger. Wir brauchen keine persönlichen verbalen Angriffe im Netz und anderswo, wir brauchen keine Aggression und sicher auch keinen Hass.

Oder um es anders auszudrücken: Wir brauchen weniger von alledem, was Respekt vor anderen Menschen vermissen lässt.
Da haben wir als Politiker durchaus Vorbildfunktion.

Natürlich gibt es nicht mehr Stalker, weil sich Politiker in Parlamenten im Ton vergreifen.
Leider erleben wir das viel zu oft- leider auch in diesem Parlament.
Aber wenn wir als Politiker mangelnden Respekt vor anderen Menschen vorleben, müssen wir uns nicht wundern, wenn der Respekt auch anderswo verloren geht.
Denn letztlich ist Stalking eine Form mangelnden Respekts vor der Privatsphäre eines anderen Menschen, letztlich auch vor seinem Selbstbestimmungsrecht. Wie wichtig dieser Respekt ist, zeigen ja die Folgen des Stalkings, die Sie richtigerweise beschrieben haben.

Es muss ja gar nicht zu körperlichen Übergriffen kommen, damit das Leben eines Stalking-Opfers zerstört wird.
Deshalb ist es wegen der Signalwirkung zwar wichtig, dass ermittelte und gefasste Täter zügig verurteilt werden und dass dies in öffentlicher Hauptverhandlung geschieht.
Aber noch wichtiger ist die Prävention.

Es gibt – das hat die Landesregierung in Beantwortung Ihrer Anfrage ja deutlich gemacht – zahlreiche Informations- und Beratungsangebote, wie man sich vor Stalking schützen kann und wie man reagieren sollte, wenn man Opfer ist, um eine weitere Eskalation zu vermeiden.
Es gibt Informationsangebote im Internet, es gibt Flyer und es gibt die Opferschutzbeauftragten.
Doch die Informationen müssen die Opfer natürlich auch erreichen – und zwar möglichst schon bevor sie überhaupt zum Opfer werden.

Das mag sich seltsam anhören.

Aber tatsächlich ist es ja so, dass die meisten Opfer die Täter kennen und dass Stalking häufig nach einer Trennung oder einer gescheiterten Beziehung begangen wird.
Ich habe aber zum Beispiel meine Zweifel, ob jeder Anwalt, der Mandaten in einem Scheidungsverfahren vertritt, im Blick hat, dass seine Mandantin oder sein Mandant auch ein potenzielles Stalking-Opfer sein kann und entsprechende Informationen parat hat.

Daher glaube ich, dass wir besser beraten sind, uns zu bemühen, Informationen so zu transportieren, dass Stalking-Fälle vermieden oder frühzeitig unterbunden sind, als sie – wie die AfD es will – noch akribischer zu zählen, als es ohnehin schon getan wird.

Auch das vom Bundestag vor etwas mehr als zwei Jahren beschlossene Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist ein Instrument im Kampf gegen Stalking, auch wenn es natürlich noch besser gewesen wäre, wenn der § 238 StGB in diesem Gesetz -wie andere Paragrafen auch- ausdrücklich aufgenommen worden wäre.
Aber einige andere Möglichkeiten zum Schutz von Stalking-Opfern sind dennoch enthalten.

Aber auch hier war die AfD dagegen und hat die Meinungsfreiheit bedroht gesehen.

Wenn wir das alles zusammen nehmen – den Antrag der AfD hier im Landtag zum Thema Stalking und die Haltung der AfD zu Bundesgesetzen, die Opfern helfen und Stalking verhindern sollen sowie die Bemühungen des Landes NRW in diesem Themenbereich – dann drängt sich geradezu eine Empfehlung an die AfD-Fraktion auf: Stellen Sie Ihren Antrag in einem anderen Parlament.

Der Überweisung stimmen wir zu.

Vielen Dank.

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