Rede zum Antrag „100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland“

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Als das Kabinett Kraft im Sommer seine Arbeit beendete, stellte die SPD die Ministerpräsidentin und die Spitzen von acht Ministerien. Sie stellte aber nur drei Ministerinnen und fünf Minister. Darüber hinaus stellte sie elf Staatssekretäre. Unter diesen befand sich keine einzige Frau.

Heute, ein halbes Jahr später, will die SPDLandtagsfraktion die Landesregierung auf verbindliche Zielvorgaben für die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen in politischen Gremien verpflichten, und der öffentliche Dienst des Landes soll dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Was Sie in Ihrer Regierungsverantwortung also nicht selbst geschafft haben, verlangen Sie nun vollmundig von der Nachfolgeregierung. Insofern fügt sich Ihr Antrag lückenlos in Ihre Anträge zur Finanzierung der Betreuungseinrichtungen für Kinder oder für den Ausbau der Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen ein.

Angela Merkel, unsere bisher einzige Bundeskanzlerin, hat einmal gesagt: Es ist keine vollkommene Gesellschaft, wenn ganze Bereiche nur von Männern besetzt werden. – Und dann kommt der Nachsatz: oder nur von Frauen. – Damit hat sie völlig recht.

Deshalb haben Sie auch mit dem Grundanliegen Ihres Antrags recht: Wir brauchen in der Tat mehr Frauen in der Politik, in der Wirtschaft, in den Medien und in der Kultur. Wir brauchen vor allen Dingen junge Frauen, vor allem brauchen wir Mütter, wir brauchen aber auch Frauen mit Lebenserfahrung. In diesem Punkt pflichten wir Ihnen bei.

Doch Ihr Antrag hat den falschen Adressaten. Wie so häufig bei der SPD ist auch dieser Antrag von oben nach unten und damit in die falsche Richtung gedacht. Natürlich wäre es schön, wenn es in den Kommunen, in den Stadträten, in den Kreistagen möglich wäre, dass Frauen ein Mandat in solchen Gremien ganz leicht übernehmen könnten.

In meiner Heimatstadt Münster hat die Stadtverwaltung vor einigen Wochen eine Umfrage unter den Mandatsträgern gemacht, um den Bedarf für die Kinderbetreuung während der Gremiensitzungen zu erfragen. Ich finde, das ist ein ganz guter Ansatz. Wir alle kennen die Wirklichkeit. Wenn wir ehrlich sind, ist es doch so, dass die Parteien nach wie vor männerdominierte Strukturen haben. Parteiveranstaltungen mit einem parallelen Kinderbetreuungsangebot gibt es nur recht selten.

Ich bin mir auch sicher, dass auf den wenigsten Checklisten für die Organisation von Parteiveranstaltungen solche Fragen auftauchen. Ich bin auch ganz sicher, dass die Locations für Parteiveranstaltungen oder Klausurtagungen eher aufgrund des Inhalts der Speisekarte oder des Vorhandenseins von Parkplätzen ausgesucht werden als nach dem Kriterium, ob es ein Spielzimmer oder Wickelmöglichkeiten gibt.

Wenn man über die Zeiten nachdenkt, zu denen man Parteiveranstaltungen terminiert, dann ist es doch immer noch so, dass man dabei eher den Terminkalender der Fußballnationalmannschaft der Männer im Blick hat als den einer ganz normalen Familie.

Wenn eine Frau ein politisches Mandat anstrebt, dann muss sie sich nach wie vor auf diese vornehmlich von Männern geschaffenen Rahmenbedingungen einstellen. Denn in allen Parteien gibt es auf irgendeine Art und Weise die sogenannte Ochsentour, bei der man sich überall vorstellen und präsentieren muss.

Man könnte es auch zynisch so ausdrücken: Eine Frau, die ein kommunales Mandat erringt, hat zwangsläufig ihr Leben schon vorher so organisiert, dass sie die Unterstützungsmöglichkeiten, die Sie einfordern, gar nicht mehr braucht.

Deshalb meine ich, dass Ihr Antrag falsch adressiert ist. Sie sollten ihn an sich selbst, an die Verantwortlichen in Ihrer Partei stellen. Denn ich bin ganz sicher, wenn sich die Parteien selbst frauenfreundlicher aufstellen, kommt alles andere von allein und muss nicht von oben verordnet werden.

Denn das ist das Problem mit Ihrem Antrag. Sie wollen mal wieder mit verbindlichen Zielvorgaben arbeiten. Das Verfassungsdebakel mit dem von Ihnen beschlossenen Landesbeamtengesetz war Ihnen keine Lehre.

Wir brauchen auch in den noch männerdominierten Bereichen eine weitere Verbreitung der Erkenntnis, dass Frauen über besondere und spezielle Fähigkeiten, über Talente und Kenntnisse verfügen, von denen alle profitieren könnten.

Man kann das an vielen kleinen Dingen festmachen. Ich bin zum Beispiel der festen Überzeugung, dass Gebäude und Wohngebiete ganz anders geplant und konzipiert würden, wenn man männlichen Planern mal einen Tag lang einen Kinderwagen in die Hand drücken würde. Wir würden uns alle wundern, wo auf einmal Barrieren verschwinden, Aufzüge eingebaut oder Kinderspielplätze konzipiert würden.

Aber wir Frauen wissen: Bei Männern dauert es manchmal etwas länger, bis der Groschen fällt. Und manchmal brauchen sie dazu auch den Anstoß von uns Frauen.

Wie wirkungsvoll der sein kann, hat Angela Merkel bei ihrer Neujahrsansprache 2005 gezeigt, als sie darauf hingewiesen hat, dass die deutschen Fußballfrauen gerade Weltmeister geworden seien und es eigentlich keinen Grund geben sollte, warum Männer nicht das Gleiche leisten könnten. Acht Jahre später haben die Männer dann gleichgezogen. Das sollte uns doch allen Hoffnung geben.

Wir bleiben dabei: Von oben verordnete Zielvorgaben, eine Top-down-Politik, das bringt überhaupt nichts. Die Belege und Beispiele dafür sind zahlreich. Wir müssen bei uns selbst anfangen, bei unseren Verbänden, Vereinigungen und Institutionen.

Ich glaube, wir Frauen in der CDU sind auf einem sehr guten Weg. Der von mir eingangs erwähnte Blick auf das Kabinett Kraft zeigt, dass Sie in der SPD noch viel Arbeit vor sich haben. Sie sollten sie bitte nicht auf uns abwälzen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

Vielen Dank.

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