Rede zum Antrag „100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland – Errungenschaften verteidigen, tatsächliche Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern weiter stärken!“

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

100 Jahre Frauenwahlrecht, das ist ein Grund zum Feiern und dankbar an all diejenigen zu denken, die dieses heute so selbstverständliche Recht einst gegen viele Widerstände durchgesetzt haben. Wir tun dies heute mit diesem Antrag und es ist ein gutes und wichtiges Signal, das wir demokratischen Parteien diesen Antrag fraktionsübergreifend formuliert und eingebracht haben.

Wir stellen in diesem Antrag fest, dass heute niemand mehr das Wahlrecht für Frauen infrage stellt. Für heutige Generationen ist diese Feststellung selbstverständlich und beinahe schon banal, vor 100 Jahren wäre sie eine Sensation gewesen.

Unabhängig von allen verfassungsrechtlichen Aspekten kann und muss man heute feststellen, dass das Frauenwahlrecht auch in der Sache eine echte Erfolgsgeschichte ist und sich dadurch selbst legitimiert hat. Ich will es einmal so ausdrücken, weil wir ja jetzt auch noch einen Entschließungsantrag der AfD vorliegen haben, der uns vorgaukeln will, es gebe schon genug Gleichberechtigung:
Wenn nur Frauen das Wahlrecht hätten, wäre die AfD nur mit höchstens 7 % im Bundestag vertreten, wäre Donald Trump nicht US-Präsident, wäre Marine Le Pen gar nicht erst in die Stichwahl bei der französischen Präsidentenwahl gekommen.
Insofern ist die Intention des Entschließungsantrages wohl offensichtlich und darum werden wir ihn auch ablehnen.

Wenn wir heute über Probleme im Zusammenhang mit dem Wahlrecht für Frauen sprechen, reden wir nicht über das aktive, sondern vor allem über das passive Wahlrecht. Konkret machen wir uns in allen Parteien Gedanken darüber, wie es gelingen kann, dass Frauen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil in den politischen Entscheidungsfunktionen und auch in den beruflichen Führungspositionen vertreten sind.

Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil gibt es immer noch viel zu wenig Frauen in allen Parlamenten von der kommunalen bis zur europäischen Ebene, aber auch in den Vorständen der Aktiengesellschaften, in den Geschäftsführungen mittelständischer Unternehmen, in den Beigeordneten-Gremien der Städte und Gemeinden. Die Gründe dafür sind vielfältig, die diskutierten Lösungsansätze auch. Die Einen setzen auf Quoten und gesetzliche Regelungen, die Anderen auf gesellschaftlichen Wandel und Überzeugung.

Es wird also in den nächsten Jahren darum gehen, Ideen und Konzepte dafür zu entwickeln, wie es gelingen kann, den Frauenanteil in Geschäftsführungen, Vorständen und Parlamenten zu erhöhen. Naturgemäß haben wir als Politikerinnen und Politiker da auch erst mal unsere eigene Branche im Blick. Insbesondere auf der kommunalen Ebene sind die Rahmenbedingungen ja nun wirklich nicht besonders frauenfreundlich. Ich warte jedenfalls immer noch auf die erste Kommune, die sich einmal ganz offen und selbstkritisch mit der Frage beschäftigt, ob Sitzungsseiten, Sitzungshäufigkeit, Sitzungsdauer und die Anzahl von Sitzungen wirklich geeignet dafür ist, Frauen, die vielleicht auch noch berufstätig sind und eine Familie haben, für eine Mitarbeit in der Kommunalpolitik zu gewinnen. Tatsächlich funktioniert Kommunalpolitik immer noch nach den Bedingungen, die auf berufstätige Männer ausgerichtet sind.

Wir alle wissen von Besuchen in Unternehmen, dass die Wirtschaft hier oft kreativer und schon weiter ist. Ob es nun um Home-Office, flexible Arbeitszeitmodelle, Betriebskitas, Familienzimmer oder um Telefon- und Videokonferenzen statt zeitaufwändiger Dienstreisen geht – ich habe oft den Eindruck, wir in der Politik könnten von vielen Unternehmen noch einiges lernen, wenn wir denn nur wollten.

Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass sich hier in den nächsten Jahren viel tun wird. Dabei schließe ich meine eigene Partei ausdrücklich mit ein. In der CDU erzählt man sich aktuell gerne das Bonmot, daß einen die eigenen Kinder fragen, ob denn wohl auch ein Mann Bundeskanzler werden könne.

Andererseits hat die Tatsache, dass wir an der Spitze der Bundesregierung schon solange eine Frau haben, ein wenig auch den Blick darauf verstellt, wie es auf den Ebenen darunter aussieht. Hier gibt es Nachholbedarf und es ist gut, dass dieser Antrag zeigt, dass wir im Ziel gemeinsam, in den Methoden und Forderungen aber sicherlich mit unterschiedlichen Akzentsetzungen daran arbeiten wollen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

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