Rede zum Antrag „Geschönte Statistiken oder Steuergeldverschwendung?“

Herr Präsident,
Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Ich gebe es zu: Die Vorbereitung dieser Rede ist mir schwer gefallen – Ich habe mir das Bundestagswahlprogramm der AfD vorgenommen. Ich wollte wissen, was Sie eigentlich dort zum Thema Schwangerschaftsabbrüche und Schutz des ungeborenen Lebens sagen. Dort geht es Ihnen – wenig überraschend -unter der Überschrift „Schutz des ungeborenen Lebens“ vor allem darum, die Meldepflicht für Schwangerschaftsabbrüche zu verschärfen. Hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen haben Sie vor einigen Wochen eine Anfrage zu den statistischen Zahlen über Schwangerschaftsabbrüche gestellt und auch Ihr heutiger Antrag konzentriert sich vor allem auf Fragen der Statistik.
Man könnte es auch so sagen: Während das Thema „Schwangerschaftsabbrüche“ für uns ein sehr kompliziertes gesellschaftliches, soziales, verfassungsrechtliches, emotionales und vor allem anderen ein menschliches Thema ist, ist es für Sie von der AfD vor allem eine Frage von Zahlen.
Das passt natürlich konsequent dazu, wie sie auch an anderer Stelle über Menschen reden, die sich in besonders schwierigen Lebenslagen befinden. Da geht es bei Ihnen auch immer um Zahlen.

Für die CDU geht es um die Menschen in diesem Land. Dabei ist der Schutz des ungeborenen Lebens ein ganz wichtiges Thema. Deshalb haben wir uns ja auch noch ganz aktuell gegen eine vollständige Abschaffung des Werbeverbots im Strafgesetzbuch gewehrt.

Der Schutz des ungeborenen Lebens ist ein hohes Gut unserer Gesellschaft und richtigerweise auch essentieller Bestandteil unserer Verfassung. Gleichwohl wissen alle, die sich dem Schutz des ungeborenen Lebens in besonderer Weise verpflichtet fühlen, so auch das Bundesverfassungsgericht, um die schwierige Situation von Frauen, die sich in einem Schwangerschaftskonflikt befinden. Ein Schwangerschaftskonflikt ist schließlich nicht nur ein Gewissenskonflikt. Es geht natürlich und zunächst vor allem um die höchst persönliche Frage, ob eine Frau ihre Schwangerschaft beenden will und damit ungeborenes Leben tötet und mit dieser Entscheidung auch später weiterleben muss.

Damit verbunden sind aber noch weitere Konflikte.

Bei der Entscheidung geht es um ethische, religiöse, oft aber auch soziale, familiäre, wirtschaftliche und berufliche Aspekte. Jeder dieser Konflikte ist für sich schon tiefgreifend und oft existenziell.
Deshalb bin ich auch fest davon überzeugt, dass keine Frau es sich mit dieser Entscheidung leicht macht, sondern sehr mit sich ringt, bevor sie sie trifft.

Es ist auch richtig, dass das Bundesverfassungsgericht und der Gesetzgeber es Frauen, die vor dieser Entscheidung stehen, ebenfalls nicht leicht macht. Die Beratungspflicht soll schließlich gewährleisten, dass jede Frau weiß, was sie tut und unter welchen Rahmenbedingungen sie ihre Entscheidung trifft.

Und ebenso richtig ist es, dass wir im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden alles dafür tun, Frauen das „Ja“ zum Leben zu erleichtern, indem wir beispielsweise Betreuungsangebote ausbauen, die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit familienfreundlicher gestalten oder Familien finanziell fördern.

Ihr Antrag geht an diesen Themen völlig vorbei.
Für Sie sind Unterschiede zwischen der Zahl der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche und den vom Land finanzierten Schwangerschaftsabbrüchen ein Thema, obwohl sie sich im Promillebereich bewegen und zudem auch noch relativ leicht, z.B. durch jahresübergreifende Abrechnungszeiträume zu erklären sind.

Sie mutmaßen lieber, die Statistiken seien „fragwürdig“ und „bedenklich“ oder gar „geschönt“.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Eine Statistik, in der auch nur eine Abtreibung, in der auch nur ein Schwangerschaftsabbruch erfasst ist, ist niemals eine „schöne“ Statistik!

Sie monieren, dass das Land quasi alle Schwangerschaftsabbrüche finanziert. Auch das zeigt Ihr fehlendes Verständnis für Menschlichkeit.
Es war der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers, dass keine Frau, die sich nach Abwägung aller Gründe und der vorgeschriebenen Beratung in ihrer ganz persönlichen Konfliktsituation zum Schwangerschaftsabbruch entschieden hat, diesen auch vornehmen kann und nicht aus finanziellen Gründen gezwungen ist, das Kind auszutragen. Das ist auch richtig so, denn von uns will keiner, dass Abtreibungen aus Kostengründen von irgendwelchen Kurpfuschern in dunklen Hinterzimmern vorgenommen werden.

Es war ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers und im Übrigen auch des Bundesverfassungsgerichts, dass es den betroffenen Frauen, die eine solche Entscheidung getroffen haben, dann möglichst leicht gemacht wird, die Finanzierung zu erlangen. Deshalb gibt es eben dieses System, dass die Frauen die Kostenübernahme bei Ihrer Krankenkasse, mit der sie ohnehin Kontakt aufnehmen müssen, beantragen und die Krankenkasse den Kostenübernahmeantrag an das Land weitergibt. Der Antragsweg ist für die Frauen möglichst einfach und auch zeitsparend zu gestalten.

Zeitsparend deshalb, weil Abtreibungen nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst früh vorgenommen werden sollen, wenn sie denn vorgenommen werden müssen.
Einfach vor allem auch aus Respekt vor der außerordentlich schwierigen und belastenden Entscheidung einer Frau in einer sehr konflikthaften Situation, die man nicht noch durch einen mit vielen Formularen und Nachweisen gepflasterten Weg durch ein Behördenlabyrinth schicken will.
Diesen Respekt vermisse ich in Ihrem Antrag.

Sie reduzieren eine persönliche Entscheidung in einer Situation, die hinsichtlich ihrer Komplexität und Konfliktfähigkeit wohl einmalig sein dürfte, auf eine statistische Frage und auf ein Haushaltsproblem. Das finde ich frauenfeindlich und lebensfeindlich.
Damit werden Sie weder der Situation von Frauen in Schwangerschaftskonfliktsituation, noch dem Anspruch, möglichst alles für den Schutz des ungeborenen Lebens zu tun, gerecht.

Der Antrag wird überwiesen. Wir können gerne weiter in der Sache diskutieren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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