Rede zum Antrag „Nein zum Sexkaufverbot“

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

Beim letzten Plenum haben meine Fraktionskolleginnen und ich hier vor dem Landtag mit Demonstranten gesprochen. Die Menschen haben dafür demonstriert, wieder arbeiten zu dürfen.

Es waren Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten.
Am 8. September 2020 hat das OVG Münster, kurz nachdem unser Antrag eingereicht war, das Verbot der Berufsausübung für diese Menschen in der bis dahin geltenden Corona Schutz VO gekippt.

Das OVG hat damit sexuelle Dienstleistungen wie jede andere, legale auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtete Tätigkeit bewertet. Damit folgt das Gericht dem Duktus des Prostituiertenschutzgesetzes. In diesem Gesetz ist von dem Prostitutionsgewerbe die Rede und es enthält viele Regelungen zur Kontrolle dieses Bereichs, aber auch zum Schutz der dort tätigen Menschen.

Gleichwohl gibt es derzeit in nahezu allen politischen Parteien Bestrebungen, hier einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Es steht die Forderung nach einem „Sexkaufverbot“ im Raum. Feministinnen fordern dies, weil der Körper einer Frau keine Ware ist.
Das steht doch wohl außer Frage!
Mit dem „Sexkaufverbot“ soll nur der Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe gestellt werden, nicht aber ihr Angebot.
Freier machen sich strafbar, Prostituierte nicht.

Da eine solche gesetzliche Konstruktion erstmals in Schweden eingeführt wurde, heißt das Ganze „Nordisches Modell“.

Wie weitgehend dieser Paradigmenwechsel geht, wird deutlich, wenn man diese strafrechtliche Konstruktion mit anderen Tatbeständen des Strafgesetzbuches vergleicht. Normalerweise würde sich eine Prostituierte nämlich der Beihilfe oder der Anstiftung zu einer Straftat, nämlich dann zum strafbewehrten „Sexkauf“ schuldig machen, weil sie ihre Dienstleistung ja anbietet. Das kann man konsequent nur dadurch verhindern, dass man dieselben Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, die man seit 2017 per Gesetz dazu verpflichtet, sich anzumelden und regelmäßig medizinisch untersuchen zu lassen, nun zu Opfern einer Straftat erklären will.
Und genau das ist das Ziel der Befürworter des Sexkaufverbots: Sie sind der Auffassung, dass Prostitution generell eine Gewalttat gegen die Frauen darstellt, die als Sexarbeiterinnen arbeiten.

In der NRW Koalition sind wir der Meinung, dass man da etwas genauer differenzieren muss.
Wer sich mit den Demonstranten hier vor dem Landtag unterhalten hat, hat mit Frauen und auch mit Männern gesprochen, die schlicht und einfach wieder ihrer Arbeit nachgehen und Geld zum Leben verdienen wollten – nicht mit Opfern.

Dabei ist uns allen völlig klar, dass es Zwangsprostitution, dass es Menschenhandel, dass es Gewalt und Ausbeutung gibt.
Oder um es anders auszudrücken:
Wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen auch gibt es einen legalen und einen illegalen Bereich.

Was aber passiert, wenn man für das Prostitutionsgewerbe die Konsequenz daraus zieht, es gänzlich zu verbieten – also das „Nordische Modell“?
Niemand geht doch wohl ernsthaft davon aus, dass es in Schweden oder auch in Frankreich, wo ein ganz ähnliches Modell praktiziert wird, jetzt keine Prostitution gibt.
Prostitution findet dann im Verborgenen statt, unkontrolliert und damit für die Frauen und Männer, die diese Dienstleistungen anbieten, auch ungeschützt, womöglich irgendwo in den Büschen oder am Straßenrand, in ständiger Gefahr vor körperlicher Gewalt oder zu Dumpingpreisen. Damit werden diese Menschen dann unsichtbar und zur bloßen Ware !

Wir wollen die Bemühungen um ein „Sexkaufverbot“ nicht grundsätzlich verdammen. Die Stoßrichtung unseres Antrages und die Bemühungen derer, die die Kunden der Prostituierten bestrafen und ein „Sexkaufverbot“ wollen, haben ja durchaus Schnittmengen:
Es geht uns allen um den Schutz der betroffenen Frauen!

Und hier muss man genau hinsehen, welche Maßnahme zum Ziel führt.

Wir sind der Überzeugung, dass ein Verbot zwar ein positives Signal setzt, weil es die Freier stigmatisiert, letztlich aber zu einer Verdrängung führen wird und die angedrohte Sanktionierung meist auch nicht durchgreift.

Diejenigen, die Prostitution als Beruf ausüben, werden in die Illegalität gedrängt und diejenigen, die Opfer von Menschenhandel, Zwang und Ausbeutung sind, erreichen wir dann gar nicht mehr.
Das sind nämlich die Menschen, die jetzt über die Gesundheitsämter, die Streetworker und die vielen Ehrenamtlichen in diesem Bereich noch sichtbar und erreichbar sind.

Deshalb sind wir dafür, Prostitution als unvermeidliche gesellschaftliche Realität anzuerkennen und offen mit ihr umzugehen, anstatt sie zu verbieten.

Wir müssen also akzeptieren, dass Menschen sich prostituieren, sei es, weil es ihr Beruf ist, sei es weil sie dazu gezwungen werden.
Wir müssen es aber keinesfalls akzeptieren, dass Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, ins Dunkelfeld verbannt werden, weil es umfangreiche Hilfen und Beratung gibt, vor allem auch dann, wenn sie aussteigen möchten. Und natürlich wollen wir den Tätern, die mit Menschen handeln, die Menschen ausbeuten und unterdrücken, konsequent das Handwerk legen. Denn das sind auch ohne Sexkaufverbot jetzt schon Straftatbestände.
Vor allem aber sind wir dafür, die Frauen und Männer, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, zu schützen, damit sie eben nicht zu Opfern werden.

Gerne diskutieren wir mit Ihnen in den Fachausschüssen weiter.
Vielen Dank.

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