Rede zum Antrag „Sexismus ächten, respektvollen Umgang miteinander fördern!“

Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Es ist ziemlich genau neun Jahre her, als eine Sexismusdebatte in Deutschland begann, die für einige Wochen die Talkshows dominierte und sogar bis ins Ausland schwappte.

Was war geschehen? Im stern war das Porträt eines damaligen Kanzlerkandidaten – es war das Jahr der Bundestagswahl – mit der Überschrift „Der Herrenwitz“ erschienen. Sie erinnern sich an die Bar und das Dirndl?

Damals waren anzügliche Bemerkungen das Thema, die in dieser Zeit von Männern oft noch – hoffentlich unbedacht – gemacht wurden, aber heute glücklicherweise als völlig unpassend gelten.

Wenn wir heute über Sexismus sprechen, müssen wir feststellen, dass der technologische Fortschritt davor nicht haltmacht.

Auch in Bezug auf wissenschaftliche Erkenntnisse oder die Sensibilität für dieses Thema sind wir heute erheblich weiter – aber sicher noch nicht weit genug. Das wird auch jede und jeder bei sich selbst und im jeweiligen Umfeld bestätigt sehen.

Leider werden aber viele Diskussionen über Aspekte geführt, die mit dem wirklichen Leben von Frauen und ihren Problemen mit Sexismus im Alltag nur wenig zu tun haben. Ich persönlich kenne jedenfalls keine Frau, der mit einer Frauenquote im Vorstand eines DAX-Unternehmens wirklich geholfen wäre.

Auch die Diskussionen über die verschiedenen Ideen, wie die deutsche Sprache zwar gendergerecht gemacht werden kann, zugleich aber schwer verständlich und lesbar wird, sind
spannend, aber wenig alltagsrelevant.

Der alltägliche Sexismus, der dazu führt, dass Frauen belästigt, benachteiligt und diskriminiert werden, begegnet uns daher ganz woanders, und zwar ständig und oft auch unbemerkt.

Wenn Unternehmen Algorithmen einsetzen, um Bewerbungen vorzusortieren, die dazu führen, dass Frauen gar nicht erst zum Gespräch eingeladen werden, ist das natürlich Sexismus. Das muss aber erst einmal jemand bemerken.

Wenn Pharmaunternehmen Studien zu Medikamenten etwa zur Dosierung von Wirkstoffen fast ausschließlich mit Männern durchführen, ist auch das Sexismus und potenziell sogar schädlich und gefährlich für Frauen.

Genauso ist es übrigens, wenn Autohersteller Crashtests mit Dummys durchführen, die so groß und schwer sind wie ein durchschnittlicher Mann.

Natürlich gibt es immer noch all das, was viele Frauen täglich erleben: die dummen Sprüche oder angeblich ungewolltes Berühren, Fragen in Vorstellungsgesprächen, die nur Frauen gestellt werden, die selbstverständliche Zuständigkeit für das Kaffeeeinschenken und Tischdecken.

Ob es hilfreich ist, wenn jetzt für Formen des Alltagssexismus, die es immer schon gab, neue Begriffe eingeführt werden, die man aber erst einmal nachschlagen muss, wie Catcalling und Manslamming, stelle ich infrage. Das ist zwar wichtig. Aber bringt es wirklich eine Sensibilisierung für Erscheinungsformen des Alltagssexismus? Meines Erachtens bringt uns das nicht wirklich voran.

Es ist wichtig, dass wir überall dort, wo Sexismus noch immer an der Tagesordnung ist, ihn benennen und dagegen angehen – klar, eindeutig und auch verständlich. Bei dem dummen Spruch, der plumpen Anmache und auch dem Blondinenwitz ist jeder und jedem klar, dass das nicht geht und dass es nichts mit übertriebener Political Correctness zu tun hat, wenn man dagegen vorgeht. Das werden auch die allermeisten Personalverantwortlichen so sehen.

Den versteckten Alltagssexismus müssen wir viel engagierter bekämpfen. Dazu gehört zum Beispiel auch, die Perspektive von Frauen einzubringen. Viel zu oft wird diese Perspektive übrigens immer noch von Männern eingebracht. Ich will das einmal an einem Beispiel deutlich machen.

Vor einigen Wochen hat Robert Habeck erstmals einen Jahreswirtschaftsbericht vorgestellt. Darin kommt viel Klima vor; das ist klar. An Frauen hat er auch gedacht. Da geht es um die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen, die Erwerbsquote von Frauen und sogar um die Anzahl der Geburten pro Frau. All das hat nach Auffassung von Herrn Habeck genauso mit dem Wohlstand unserer Gesellschaft zu tun wie die Minderung der Nitratbelastung.

Seiner Meinung nach nichts mit dem Wohlstand in unserem Land zu tun hat aber das, was wir hier parteiübergreifend seit vielen Jahren immer wieder benennen und beklagen: der ungeheure Wert von unbezahlter Arbeit, die Frauen in unserem Land in der Familie, bei der Erziehung und Pflege und im Ehrenamt leisten.

Dass man das im Wirtschaftsministerium nicht im Blick hat, mag vielleicht damit zu tun haben, dass das Ministerium gemessen an seiner eigenen Wohlstandsdefinition eher arm dran ist, weil unter den sieben Staatssekretären nur zwei Frauen sind. In jedem Fall zeigt das aber, dass wir Frauen parteiübergreifend noch viel zu tun haben und dass es unsere Aufgabe bleibt, die Frauenperspektive deutlich zu machen.

Deshalb wünschen wir uns eine breit angelegte Kampagne der Landesregierung, die sensibilisieren und aufklären soll. Eine solche Kampagne muss alle Bereiche des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens abdecken und sich vor allem am Alltag von Männern und Frauen orientieren.

Uns ist besonders wichtig, dass sie früher ansetzen muss. Wenn wir schon in den Schulen gegen alte Rollenbilder und Vorurteile angehen, ist das eine gute Investition in eine Gesellschaft ohne Sexismus, Diskriminierung und Frauenhass. Das duldet keinen Aufschub. Deshalb bitten wir: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

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