„Es gilt das gesprochene Wort!“
Sehr geehrter Herr Präsident
Meine Damen und Herren,
das Thema, das die FDP in ihrem Antrag aufgreift, ist wichtig. Deshalb ist es in den vergangenen 20 Jahren auch schon mehrfach hier im Landtag behandelt worden. Im Übrigen auch schon auf Antrag der FDP. Überhaupt hat schon fast jede Fraktion sich in dieser Richtung und mit diesen Zielen zu diesem Thema geäußert.
Wir leben in einer Zeit des rasanten technologischen Wandels, in der Digitalisierung längst zum Herzstück von Wirtschaft und Gesellschaft geworden ist. Vor allem die Künstliche Intelligenz wird in den kommenden Jahren unser Leben, unsere Arbeit und unsere Wirtschaft weiter revolutionieren. Doch um die Chancen dieser Entwicklung voll auszuschöpfen und den Herausforderungen gerecht zu werden, brauchen wir gut ausgebildete IT-Fachkräfte – und das mehr als je zuvor. Dabei ist der Anteil von weiblichen Informatikstudentinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kommilitonen erschreckend gering.
Die Unterrepräsentanz von Frauen in IT-Berufen ist aber auch so alt wie IT selbst.
1969 gründete sich die Gesellschaft für Informatik, seit 1986 hat sie eine Fachgruppe, die sich genau mit dem Thema des FDP-Antrags beschäftigt.
Diese Gruppe weist auf einen ganz interessanten Aspekt hin, den die FDP gar nicht aufgreift.
Denn es ist zwar richtig, dass der Frauenanteil unter den Studierenden des Studiengangs Informatik nur bei 19,5 Prozent liegt. Im Studiengang Medizinische Informatik liegt er aber bei 46,9% und bei der Bioinformatik bei 45,2%. Und ganz ähnlich ist es bei den beruflichen Ausbildungen, bei denen Frauen per se unterrepräsentiert sind. Bei der Fachinformatiker-Ausbildung ist der Frauenanteil nur bei 9%. Geht es aber um die Ausbildung zur „Kauffrau oder zum Kaufmann für Digitalisierungsmanagement“ beträgt der Frauenanteil 24,9%.
Die Kombination macht es also.
Man könnte es auch anders sagen: Offensichtlich interessiert Männer nur der Computer, die Hardware selbst, Frauen interessiert er nur dann, wenn man mit ihm auch etwas Sinnvolles machen kann.
Der Blick zurück zeigt, dass wir da offenbar an einem ganz dicken Brett bohren.
Er zeigt im Übrigen auch, dass deutliche Veränderungen nicht nur möglich, sondern bei IT- und MINT-Berufen sogar wahrscheinlich sind.
Jahrzehnte, ja Jahrhunderte war die Medizin zunächst nur Männern vorbehalten, dann ihre Domäne. Erst seit 20 Jahren gibt es mehr Medizinstudentinnen als Medizinstudenten. Heute geht es in der Medizin nur noch um die Unterrepräsentanz in Führungspositionen und auf Lehrstühlen.
Ärztefunktionäre vertraten vor knapp 20 Jahren eine krude und sehr männlich geprägte Theorie zu den Ursachen für diese Entwicklung: Das Prestige des Ärzteberufs sei gesunken, die Gehälter auch, deshalb wollten die Männer nicht mehr Mediziner werden und die Frauen würden in die Lücke springen. Vermutlich hat das mit dem Numerus Clausus und den besseren Schulnoten von Abiturientinnen zu tun. Welche Theorie auch immer stimmt: Veränderungen sind möglich.
Der Antrag der FDP bleibt da leider sehr oberflächlich. Programme wie „Nächte der Informatik“ und „Science Festivals“ sind sicherlich nette Ideen, aber sie bleiben punktueller Natur. Was wir brauchen, ist eine systematische, dauerhafte Verankerung von IT Knowhow in unserem Bildungssystem– und das beginnt nicht erst mit dem Besuch der weiterführenden Schule. Wir müssen schon viel früher ansetzen, um Mädchen und Jungen im frühen Alter gleichermaßen für technische Berufe zu begeistern, um die gesellschaftlichen Stereotype und Vorbehalte, die Frauen und Mädchen aktuell noch von IT-Berufen fernhalten, konsequent zu bekämpfen und die Branche für junge Frauen und Mädchen attraktiv und zugänglich zu gestalten. Tatsächlich gibt es schon zahlreiche Initiativen in NRW: z.B. den Pakt für Informatik 2.0, aber auch Projekte bei den Handwerkskammern und auch Stiftungen, die das Land unterstützt und nicht zuletzt beim Girls Day.
Mit dem Schulfach Informatik haben wir einen wichtigen ersten Schritt getan. Die Überwindung von Stereotypen und Rollenklischees ist nicht nur bei der Informatik eine wichtige Daueraufgabe – im Übrigen in beide Richtungen, wenn man mal an die Unterrepräsentanz von Männern in Kitas denkt.
Ich bin ganz sicher, die Informatik wird auch eine weibliche Zukunft haben. Damit sie schneller kommt, kann auf allen Ebenen und in den verschiedensten Bereichen etwas getan werden. Was wir als Land dafür tun können, diskutieren wir gerne bei den weiteren Beratungen und stimmen der Überweisung zu. Heute freuen wir uns erstmal über das Eingeständnis der FDP, dass der Markt doch nicht alles zum Guten regelt – jedenfalls ganz offenbar nicht der Ausbildungsmarkt.
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