Rede zum SDP Antrag: Mein Körper! Meine Entscheidung! Nordrhein-Westfalen muss die Erkenntnisse der ELSA-Studie ernstnehmen und ein ausreichendes Angebot zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherstellen!

„Es gilt das gesprochene Wort!“

Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
KI kann manchmal Politik auch entlarven. Wenn man einmal die Suchfunktion über diesen SPD-Antrag laufen lässt, stellt man für einen Antrag, in dem es um Schwangerschaften geht, fürwahr Erstaunliches fest. Das Wort „Leben“ taucht überhaupt nicht darin auf, schon gar nicht „ungeborenes Leben“ und auch nicht das Wort „Schutz“. Um das Leben geht es nur im Zusammenhang mit der Lebenssituation von Schwangeren. Damit ist eigentlich schon alles Notwendige zu diesem Antrag gesagt.

Es geht Ihnen nämlich nicht um den Schutz ungeborenen Lebens, es geht Ihnen auch nicht um das Ja zum Kind. Ihnen geht es um die Streichung des § 218 StGB. Das ist natürlich kein Landesthema, das ist ein Bundesthema.

Die Ampelkoalition hatte sich eine Streichung des § 218 StGB in den Koalitionsvertrag geschrieben, das Thema aber zu Lebzeiten aus zwei guten Gründen nicht angefasst.

Erstens. Das Thema hat ein enormes Potenzial zur weiteren gesellschaftlichen Spaltung. Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA ist uns ja allen noch in guter Erinnerung.

Zweitens. Es gibt wirklich wichtigere, aktuell dringlichere Themen. In der Stellungnahme von Professor Augsberg im Rahmen der Anhörung zu dem Antrag findet sich mit Blick auf die gegenwärtige Rechtslage folgender Satz – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„[…] ungeachtet unzweifelhaft möglicher praktischer wie theoretisch fundierter Kritikpunkte, die von unterschiedlicher Seite aus geltend gemacht werden können, ist es doch ein nicht unerhebliches Verdienst, dass mit diesem komplexen Regelungsgefüge eine dilemmatische Regelungsherausforderung in prinzipiell akzeptabler Form gehandhabt wurde.“

Überschrieben ist der Absatz – und das ist wieder ganz einfach – mit

„[…] vom Wert auch ‚fauler‘ Kompromisse“. Und genau darum geht es.

Wir haben derzeit eine Lösung, mit der Abtreibungsgegner und Lebensschützer einerseits und Feministinnen und Abtreibungsbefürworter andererseits gleichermaßen unglücklich sind. Aber richtig ist auch: In keiner Umfrage, die aktuell nach den wichtigsten Problemen der Menschen in diesem Land fragt, taucht eine neue Regelung des Schwangerschaftsrechts auf.

Hinzu kommt, die gegenwärtige Rechtslage ist rechtssicher. Ich will nur einmal daran erinnern, wie die SPD bei den Vorschlägen der Union zur Migrationspolitik argumentiert hat, das sei europarechtswidrig, das sei verfassungswidrig, und deshalb könne man den Vorschlägen nicht zustimmen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorschläge zwar noch gar nicht geprüft, aber egal.

Zum § 218 hingegen gibt es Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es scheint Ihnen aber auch egal zu sein. Das Bundesverfassungsgericht ist Ihnen bei diesem Thema sogar so egal, dass Sie seine Definition eines ausreichenden Angebots zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen ignorieren und lieber die Definition der ELSA-Studie heranziehen. Dabei wiederum ist es Ihnen egal, dass die Studie bis heute noch gar nicht veröffentlicht worden ist. Das MAGS hat im Übrigen ermittelt, dass lediglich in kleinen Teilbereichen von nur vier Landkreisen Fahrzeiten von über 60 Minuten nötig sind, sonst überall im Land Fahrzeiten von 15 bis 45 Minuten. Aber das ist Ihnen auch egal.

Das kann doch nur eines heißen: Sie wollen die Politisierung, Sie wollen die Polarisierung. Die Folgen sind Ihnen völlig egal. Dabei muss Ihnen doch auch klar sein, dass eine erneute polarisierende Debatte ganz bestimmt nicht dazu beiträgt, dass mehr Ärzte bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass selbst nach dem Gruppenantrag zum § 218, den Ihre Abgeordneten nach dem Ampel-Aus in den Bundestag eingebracht haben, die Bestimmung, nach der niemand zur Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch verpflichtet ist, erhalten geblieben wäre. Glauben Sie denn allen Ernstes, dass eine polarisierende gesellschaftliche Debatte hilfreich wäre und dazu führen würde, dass es mehr statt weniger Ärzte gibt, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen würden?

Wir ignorieren die Probleme, die es bei der Versorgung gibt, nicht. Wir sehen auch, dass die Perspektiven schwierig sind, weil gerade die Gynäkologen zur älteren Fachärztegruppe gehören. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag dazu bekannt, die Versorgungssituation zu verbessern.

Minister Laumann hat in seinem Bericht an den Fachausschuss seine intensiven Bemühungen dazu geschildert. Aber ich sage auch: Ich bin froh, dass ein Bericht von Frau Ministerin Paul über all die Maßnahmen der Landesregierung, die Familien helfen, die Schwangeren ein Ja zum Kind erleichtern, die die Betreuungssituation verbessern, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken, wesentlich umfangreicher ausfallen würde. Ihren Antrag lehnen wir aus den vorgenannten Gründen ab. – Vielen Dank.

Dokumente / Verweise