Rede zum Antrag „Drohender Bevormundung und Einschränkung der individuellen Mobilitätentgegenwirken: NRW muss Gesetzesinitiative zur Straßenverkehrsordnung im Bundesrat stoppen!“

Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Verkehrspolitik ist in Kommunalwahlkämpfen in größeren Städten oft das dominierende Thema.
Wohl jeder Kollege aus einem städtischen Wahlkreis kann über erbitterte Auseinandersetzungen über Parkgebühren, Straßensperrungen, Busspuren oder Radwege berichten. Und bei wohl keinem anderen Thema werden Veränderungen in den politischen Mehrheitsverhältnissen in den Kommunen so schnell spürbar wie in der Verkehrspolitik.
Den bei den Wahlen Unterlegenen gefällt das natürlich nicht, aber das ist eben Demokratie.
Deswegen verwundert es schon etwas, wenn die AfD, die sich sonst als Verteidigerin der Durchsetzung des vermeintlichen Volkswillens geriert, dies nun bei der kommunalen Verkehrspolitik verhindern will.

Denn darum geht es letztlich in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung:
Den Kommunen mehr Spielräume in ihrer Verkehrspolitik zu eröffnen. Und wenn ein demokratisch gewählter Stadtrat dann entscheidet, für Fahrräder, Autos, Pedelecs und Busse eigene Fahrspuren einzurichten
– dann ist das eben so.
Und dann muss dieser Stadtrat die Konsequenzen dieser Entscheidung eben bei der nächsten Kommunalwahl vertreten und ggf. auch die Quittung dafür kassieren, wenn die Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind, das sie in ihrer Mobilität irgendwie einschränkt sind.

Das Entscheidende für die von Ihnen angesprochenen Fragen, ist ohnehin nicht dieser Gesetzentwurf, sondern es ist die Straßenverkehrsordnung, die novelliert wird.
Deren Entwurf kritisiert die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die sie ja ebenfalls in Ihrem Antrag nennen, weil er eben nicht flächendeckend Tempo 30 in den Städten vorsieht und entsprechende Regelungen in der Zuständigkeit der Kommunen belässt. Die Verkehrsministerkonferenz hat die Initiative von mittlerweile fast 600 Städten für mehr Entscheidungsfreiheit bei Geschwindigkeitsbegrenzungen im Übrigen einstimmig begrüßt.

Und es geht hier überhaupt nicht darum, die Mobilität der Menschen einzuschränken und ihnen dadurch einen Nachteil zuzufügen.
Letztlich bleibt es doch beim Grundsatz, dass es Tempo 30 ausschließlich wegen der Verkehrssicherheit geben soll. Es gibt lediglich einige zusätzliche Anordnungsgründe, wie zum Beispiel einen Lückenschluss zwischen zwei schon bestehenden Tempo 30-Abschnitten.

Ihr Problem ist, dass Sie verkehrspolitisch noch im Autozeitalter sind. Das ist zumindest schon einmal ein Fortschritt, weil Sie gesellschaftspolitisch ja eher noch im Kutschenzeitalter sind.

Und deshalb will ich Sie auf einige ganz interessante Entwicklungen hinweisen, die Ihnen möglicherweise entgangen sind.
Wenn Sie sich einmal mit den Modal-Split-Untersuchungen auseinandersetzen, stellen Sie ohne Zweifel fest, dass das Auto noch immer dominierend ist.
Es hat einen hohen Anteil am Modal Split, gerade bei älteren Verkehrsteilnehmern.
Es gibt aber Zuwächse beim Fahrradverkehr und beim Fußverkehr – also in dem Bereich, um den es hier politisch geht – in den Städten.
Und die folgenden Zahlen haben Sie sogar selbst erfragt:
Nur etwa 42 Prozent der 18jährigen in NRW haben aktuell einen Führerschein,
2012 waren es noch 54 Prozent, seitdem ging die Zahl kontinuierlich zurück.

Die Bedeutung des Autos geht also zurück – und zwar nicht, weil das politisch verordnet worden ist, sondern weil die Menschen es aus ganz verschiedenen Gründen, die nicht einmal etwas mit dem Klimaschutz zu tun haben müssen, selber wollen-gerade die jüngeren.

Völlig Unabhängig von allen umwelt- und klimapolitischen Erwägungen:
Ihre Zementierung des absoluten Autovorrangs ignoriert die gesellschaftliche Entwicklung. Sie widerspricht dem, was die Menschen in immer stärkerem Maße wollen.

Die Kommunen müssen in der Lage sein, diesen gesellschaftlichen Entwicklungen zu folgen – und zwar möglichst individuell.
Ein Beispiel:
Meine Heimatstadt Münster ist etwa genauso groß wie München – flächenmäßig.
Bei der Einwohnerzahl trennt uns aber eine glatte Million.
Da ist es doch völlig klar, dass jeweils eine andere Verkehrspolitik gemacht werden muss. Aber das müssen die Kommunen selbst entscheiden können.

Denn sie werden vor Ort auch verantwortlich gemacht, ob sie maßvoll mit den Instrumenten der StVO umgehen oder nicht. Und das ist auch richtig so.

Wir verstehen die Änderung der Straßenverkehrsordnung in erster Linie als Beitrag zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.
Wer hier dagegen ist, muss das auch seinen kommunalen Mandatsträgern erklären.
Das überlassen wir getrost Ihnen.
Ihren Antrag lehnen wir ab.

Dokumente / Verweise