Rede zum Antrag „Gendern? Nein Danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten- keine politisch motivierte Verfremdung der Sprache !“

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
man könnte ja meinen, Peter Glotz könne sich nicht wehren, wenn er ausgerechnet von der AfD als Zeuge für ihren Antrag herangezogen würde. Kann er aber doch. Peter Glotz hat den Sprachnationalismus als einen der größten Denkfehler genannt, die man machen könne. Sprachnationalismus sei die Fiktion, dass alle, die die gleiche Sprache sprechen, desselben Geistes seien. Ungewollt bestätigen Sie mit Ihrem Antrag Peter Glotz.

Denn Sie tun so, als ob alle Menschen, mindestens aber die übergroße Mehrheit in Deutschland derselben Meinung sind, was das Gendern angeht – nämlich Ihrer.
Dabei sind nicht einmal Sie selbst Ihrer Meinung. Heute beantragen Sie, dass der Landtag die Menschen bezüglich des Gebrauchs der deutschen Sprache nicht bevormunden sollte. In der letzten Wahlperiode wollten Sie aber genau das tun – da wollten Sie uns allen den Gebrauch des generischen Maskulinums verordnen.
Ich zitiere – mit Erlaubnis des Präsidenten -gerne noch einmal Peter Glotz:
„Bei Ideen hilft nicht verbieten, sondern nur widerlegen”. Die Arbeit machen Sie sich gar nicht. Sie wollen Gendersprache quasi verbieten. Dabei sagen Sie nicht einmal, was genau Sie verbieten wollen. Streng genommen, gendern Sie sogar selbst, wenn Sie hier Ihre Reden mit „Meine Damen und Herren“ oder „Kolleginnen und Kollegen“ beginnen. Und Gendern ist es auch, wenn man mit der Sprechpause und dem Doppelpunkt, dem Binnen-I und dem Sternchen arbeitet. Dazwischen gibt es noch ganz viel:
Man kann Frauen und Männer benennen, in dem man von Polizistinnen und Polizisten spricht.
Auch das ist Gendern. Gendern wäre es aber auch, wenn man Frauen und Männer gleichermaßen meinen möchte und von Sicherheitskräften spricht.
Welche dieser verschiedenen Formen des Genderns wollen Sie uns jetzt eigentlich untersagen?
Sprache entwickelt sich. Das wissen wir alle und es ist kein deutsches Phänomen. Ich will das einmal an einem extremen Beispiel deutlich machen. Eine der berühmtesten Reden überhaupt ist die von Martin Luther King, die er vor 60 Jahren beim Marsch auf Washington gehalten hat:
„Ich habe einen Traum“.
Martin Luther King gehört sicherlich zu den eher unverdächtigen Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Aber wenn Sie sich heute seinen Redetext in der deutschen Übersetzung durchlesen, haben Sie schon Zweifel, ob man den Text noch so veröffentlichen würde. Er gendert nicht – überhaupt nicht. Und zudem ist eines der häufigsten Wörter in der Rede vorkommenden Worte das, was wir heute als N-Wort bezeichnen. Wenn Sie heute aber zum Beispiel Kamala Harris hören, spricht sie natürlich von Amerikanerinnen und Amerikanern und von „black men and women“ ohne dass sie etwas anderes meint.
Sprache entwickelt sich. Und das ist auch gut so. Wohin sie sich beim Gendern entwickelt, wird man sehen. Es stellt sich ja zunehmend heraus, dass einige Formen des Genderns nicht auf besonders große Akzeptanz oder gar auf Ablehnung stoßen. Dann ist das eben so. Und dann werden sich diese Formen des Genderns auch nicht durchsetzen.
Das gilt möglicherweise auch für die Formen, bei denen es Zielkonflikte gibt, wenn Sie zum Beispiel an barrierearme Sprache denken.
Auch wenn es um die Vermittlung deutscher Literatur an Schulen geht, wird man schnell darauf kommen, dass allzu intensiv praktiziertes Gendern im Deutschunterricht nicht unproblematisch ist. Und selbst im Sport wird es wohl zunächst bei der FrauennationalMANNschaft bleiben. Dafür braucht man aber keine Vorgaben der Politik.
Sprache entwickelt sich. Und diese Entwicklung findet nicht in Parlamenten statt.
Hier wird sie allenfalls nachvollzogen. Sprachpolitisch sind wir sozusagen am Ende der Nahrungskette, nicht am Anfang.
Auch das ist gut so.
Sprache entwickelt sich. Und dafür braucht es keine Entwicklungshelfer, aber auch keine Entwicklungsverhinderer.
Wir als CDU haben das schon gelernt, bei der AfD dauert es offensichtlich noch. Ähnliche Diskussionen wie über das Gendern hatten wir nämlich vor etwa 20 Jahren bei der Rechtschreibreform. Damals gab es aber riesige Widerstände, die CDU war in großen Teilen ganz vorne mit dabei, die Meinungsumfragen waren so wie jetzt zum Gendern. Die FAZ boykottierte demonstrativ die Reform und führte eine Hausorthographie ein. Heute ist das Geschichte. Alle nutzen die neue Rechtschreibung.
Und so wird es irgendwann auch beim Gendern sein. Die Sprache wird einen Weg finden, einerseits Frauen und Männer gleich zu behandeln, andererseits verständlich und anwendbar zu bleiben. Und die einen werden das praktizieren, die anderen nicht. Und wiederum andere werden ihre ganz eigene Form entwickeln mit dieser Frage umzugehen. Und das ist völlig ok.
Ich habe die Hoffnung – ich bin ja Christin -, dass auch die AfD ihren Weg finden wird. Dafür gibt es ja durchaus Anzeichen.
Sie ist ja eigentlich auch gegen Anglizismen, forderte aber dennoch in einem Antrag Maßnahmen gegen das Upskirting. Und beim Gendern hat sie sich in der letzten Wahlperiode auch auf den Weg gemacht und mehr Unterstützung für die STUDIERENDENwerke gefordert.
Sprache entwickelt sich halt.
Finden Sie sich damit ab.
Ihren Antrag lehnen wir ab.

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