„Es gilt das gesprochene Wort!“
Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
wenn es um Frauenthemen geht, müssen wir Frauen hier im Plenum manchmal feststellen, dass der Aufmerksamkeitsgrad der Männer ausbaufähiger ist, als er es zum Beispiel ist, wenn wir über Fußball reden. Deshalb will ich mal mit einer Fußballfrage anfangen. Wissen Sie, was der Fußball und das Bildungssystem in Deutschland gemeinsam haben? Die Männer werden es nicht gerne hören, aber die Antwort ist: Frauen sind in beidem erfolgreicher als Männer.
Dennoch verdienen Männer mehr als Frauen – sowohl im Fußball als auch sonst.
Das hat viele Ursachen, über die wir hier auch schon oft gesprochen haben. Das liegt zum Beispiel daran, dass Frauen eher in schlechter bezahlten Berufen arbeiten. Und genau das ist ja eigentlich vor dem Hintergrund der besseren Bildungsabschlüsse merkwürdig. In den akademischen Berufen sind Frauen nämlich trotz deutlich höherer Abiturientenquote unterrepräsentiert.
Man könnte das Problem auch anders beschreiben:
Wir reden über Fachkräftemangel in allen möglichen Bereichen. Das Handwerk wird da immer mit als erstes genannt, auch die Industrie. Ausgerechnet da sind aber die Frauenquoten besonders niedrig.
Während der Frauenanteil in Dienstleistungsberufen, bei Bürokräften und Verkäuferinnen bei über 60 Prozent liegt, beträgt er im Handwerk 10 Prozent.
Und wir ahnen, dass er noch geringer ausfiele, wenn man die Friseurinnen herausrechnen würde.
In den MINT-Berufen liegt der Frauenanteil nur bei 16 Prozent.
Woanders liegen Frauen weit vorne. Knapp 80 Prozent aller Teilzeitkräfte sind Frauen, knapp die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen arbeitet Teilzeit, bei den Männern sind es nur 12 Prozent.
Volkswirtschaftlich gesehen sind also Frauen im erwerbstätigen Alter ein sehr erfolgversprechender Ansatzpunkt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Oder um es im Fußballsprache zu sagen:
Bislang lassen wir da einfach zu viele Chancen liegen.
Die Gründe für den Fachkräftemangel sind vielfältig, positiv formuliert könnte man sagen, es gibt viele Stellschrauben, um etwas zu verbessern. An einer dieser Stellschrauben setzen die Kompetenzzentren Frau und Beruf an.
Die Grundidee ist, Unternehmen, insbesondere kleineren und mittleren Unternehmen, dabei zu helfen, Frauen als Arbeitskräfte zu finden, zu gewinnen und zu binden. Das ist nicht nur aufgrund des Fachkräftemangels insgesamt sinnvoll, sondern mit Blick auf die KMU deshalb, weil die Großunternehmen sich hier schon längst mit eigenen Konzepten auf den Weg gemacht haben und der Wettbewerb zwischen KMU und Großunternehmen eben auch um Arbeitskräfte stattfindet.
Es geht darum, den Unternehmen Ideen und Konzepte zu vermitteln, wie sie insbesondere Frauen die Vereinbarkeit von Familien und Beruf ermöglichen können. Denn während man normalerweise bei dem Begriff Work-Life-Balance vom Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit ausgeht, geht es bei Frauen meistens um das Verhältnis zwischen bezahlter Arbeit und Familienarbeit. Ob es Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen ist – das genau sind meistens die Faktoren, die dazu führen, dass Frauen nicht oder nur Teilzeit arbeiten können. Und es gibt viele Ideen an die Unternehmen heranzutragen:
Es gibt Unternehmen, die einen Mitarbeiter zum Pflegecoach ausgebildet haben, der im Falle eines Pflegefalles Mitarbeiterinnen beraten und helfen kann, die Angehörigenpflege so zu organisieren, dass sie mit dem Beruf kompatibel ist.
Da geht es um Familienzimmer, die es ermöglichen, akut unbetreuten Nachwuchs ein paar Tage mit zur Arbeit bringen zu können,
da geht es um alle möglichen organisatorischen Maßnahmen von Arbeitszeitmodellen bis zu Homeoffice-Konzepten.
Das sind ganz spezielle Kompetenzen für eine ganz bestimmte Zielgruppe. Denn Frauen sind diesbezüglich eine besondere Zielgruppe. Sie sind die einzigen, deren Erwerbsbiographie dadurch unterbrochen wird, dass sie Kinder bekommen, sie sind oft die einzigen, meistens aber mindestens diejenigen, die sich um die Kinder kümmern, sie stellen den weitaus größten Anteil der Alleinerziehenden und sind weit überwiegend diejenigen, die sich um die Pflege von Familienangehörigen kümmern.
All das beeinträchtigt eine lineare und stringente Erwerbsbiographie – und zwar auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Deshalb geht es bei der Arbeit der Kompetenzzentren um Frauen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen: Frauen, die eine Ausbildung beginnen. Mütter, die nach der Erziehungszeit in den Beruf zurück wollen – sicher auch viele Alleinerziehende. Berufstätige Mütter von längst erwachsenen Kindern, die sich auf einmal um ihre eigene Mutter kümmern müssen. Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, Frauen die von Mentoring Programmen profitieren. Ansprechpartnerinnen gibt es viele.
Uns ist klar, dass man damit das Fachkräfteproblem nicht lösen kann. Dazu ist es auch viel zu groß. Aber das ist letztlich auch wie beim Fußball.
Wenn man deutlich in Rückstand ist, schießt man eben aus allen Lagen aufs Tor. Wir sind der Meinung, dass die Kompetenzzentren Frau und Beruf einer der Treffer sind, die man dabei erzielt.
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