„Es gilt das gesprochene Wort!“
Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sind es nicht erschreckende Zahlen, die uns die FDP in ihrem Antrag unter der Forderung „Gründungsklima für Frauen verbessern!“ präsentiert? Von bundesweit 2.618 Neugründungen habe es nur 446 in NRW gegeben, weniger als 20 Prozent dabei von Frauen. So die Zahlen des Start-Up-Verbandes, der sich – der Name legt es nahe – in seiner Studie auf „Start-Ups“ konzentriert.
Die KfW-Bank gibt auch Studien zu Existenzgründungen heraus. Und auch die sprechen eine deutliche Sprache. Die Zahl der Existenzgründungen geht zurück, der Anteil der Frauen daran auch. Die neuesten Zahlen sind dort die des Jahres 2022: Demnach sind in Deutschland 550.000 Unternehmen gegründet worden, davon 37 Prozent von Frauen. Nur mal zum Vergleich: 2015 waren es noch 763.000 Unternehmensgründungen und der Frauenanteil lag bei 43 Prozent. Es gab übrigens auch mal Zeiten mit deutlich mehr als einer Million Unternehmensgründungen. Die Fokussierung auf Start-Ups geht also deutlich am Thema vorbei.
Natürlich können wir möglichst viele Start-Ups gebrauchen, natürlich wäre es toll, wenn möglichst viele Frauen ein Start-Up gründen – aber in diesem Themenfeld sind unsere eigentlichen Probleme doch ganz andere. Es sind im Wesentlichen zwei Probleme:
Das erste ist: Wir haben zu wenig Unternehmensgründungen. Ich habe ja gerade ausgeführt, dass wir schon einmal deutlich mehr hatten. Die KfW-Zahlen zeigen, dass es da einen ganz einfachen Zusammenhang gibt: Je stabiler der Arbeitsmarkt ist, desto weniger Existenzgründungen gibt es. In so unterschiedlichen Ländern wie Portugal, Island, Litauen und der Slowakei werden je 1.000 Einwohnern fünf bis sechsmal so viele Unternehmen gegründet wie bei uns.
Das zeigt schon: Es liegt weder am Wetter, noch an der gesamtwirtschaftlichen Situation. Uns fehlt in Deutschland ganz offensichtlich am Gründer-Gen an der Lust zur Selbständigkeit.
Das zweite Problem ist: Die Beteiligung von Frauen an der Erwerbstätigkeit insgesamt ist zu niedrig. Etwa 73 Prozent der Frauen und 80 Prozent der Männer gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Der Abstand ist gar nicht einmal so groß und er sinkt tendenziell auch, aber etwa 50 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten Teilzeit, bei den Männern sind es nur gut 12 Prozent.
Jeder, der sich nur halbwegs im wirklichen Leben auskennt, weiß: Selbständigkeit und Teilzeit – das verträgt sich nicht, denn Selbständigkeit heißt nicht nur selbst, sondern auch ständig.
Dass Frauen öfter Teilzeit arbeiten als Männer hat einen ganz einfachen Grund: Frauen leisten nach wie vor den größeren Teil der Care-Arbeit in den Familien, bei der Kindererziehung, bei der Pflege von Angehörigen. Wir sprechen oft darüber, der internationale Frauentag ist ja gerade erst gewesen.
Und weil in Kitas, Schulen und in der Pflege Arbeitskräfte fehlen, ist da auch nicht so schnell Besserung in Sicht.
Wir haben es also mit einer Problemlage zu tun, die nicht nur NRW, nicht nur Frauen und schon gar nicht nur Start-Ups betrifft. Das Handwerk sucht dringend Frauen und Männer, die einen bereits bestehenden Betrieb übernehmen möchten, 125.000 in den nächsten fünf Jahren mindestens. Selbst wenn doppelt so viele Start ups gegründet werden, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Bund und Länder haben das Problem erkannt, aber noch lange nicht gelöst. Schon 2014 hat das Bundeswirtschaftsministerium die Initiative „Frauen unternehmen“ ins Leben gerufen. Die Landesregierung NRW hat am 4. März 2024 den Förderaufruf „Start-up Center.NRW“gestartet. In NRW haben wir außerdem die Kompetenzzentren „Frauen und Beruf“. Da geht es um ganz ähnliche Arbeitsbeschreibungen und Aufgaben: Netzwerke bilden, Beratungsangebote, Vorbildfrauen präsentieren, Förderprogramme. Also alles das, was im FDP-Antrag steht.
Die wirklich entscheidenden Stellschrauben, um mehr Frauen in Selbständigkeit zu bekommen, sei es in Start-Ups oder im Handwerk stehen nicht im FDP-Antrag – wir kennen sie aber alle. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für die Selbständigkeit insgesamt. Mehr Wertschätzung für Unternehmertum, deutlich weniger Bürokratie, mehr Wagniskapital zur Finanzierung von Unternehmensgründungen. Und wenn dann noch verlässliche Kinderbetreuungs- und Pflegeangebote dazu kommen, dann haben wir wirklich etwas für Existenzgründungen und die Selbständigkeit von Frauen erreicht.
Anträge wie dieser verstellen dagegen den Blick auf die Wirklichkeit.
Dafür ist das Thema zu groß und wichtig.
Der Überweisung stimmen wir zu.
Dokumente / Verweise